Salam,
„The revolution will not be televised“, rappte Gill Scott-Heron in den 70ern und kritisierte damit die Passivität und den Medienkonsum Schwarzer Menschen, die sich und ihre Belange nicht reflektiert sahen. Er rief sie dazu auf sich von und in den Medien zu befreien, zu dekolonisieren und aktiv zu werden. Es gibt keine wichtigere Zeit aktiv zu werden, als während einem Genozid.

Es gibt wohl keinen Krieg, welches so viele schreckliche Bilder produziert, wie der auf das palästinensische Volk. Der Genozid wird live übertragen, palästinensische Journalist:innen berichten über ihre eigene Ermordung und unsere Feeds sind voller Leid. Das heißt, wenn Du in der Wirklichkeit lebst. In der Welt der alternativen Fakten, ist dies natürlich alles „Pallywood“, vorgespielt, der Sympathie willen. Das bloße Anerkennen dieses Leides war lange nicht aussprechbar, galt ohne den Nachschub „aber Hamas“ als Antisemitismus.
Es wurde von uns verlangt unseren Augen, Ohren und unserem Gewissen nicht zu trauen. Das Leid einer 5 Jahre alten Hind Rajab, die mit über 300 Schüssen von der IDF ermordet wurde oder der einer 7-Jährigen Ward Jalal Al-Shaikh Khalil, die durch eine in Flammen stehende Schule nach einem israelischen Angriff rennt, zu ignorieren. Den Tod von tausenden und hundert tausenden palästinensischen Männern, Frauen, Kindern, Arbeiter:innen, Lehrer:innen, Journalist:innen, Helfer:innen, Sanitäter:innen, Doktor:innen usw. mit einem „aber Hamas“ zu relativieren.
In den Medien wurde entweder überhaupt nicht berichtet oder einer nicht existierenden Balance wegen, die Linie der israelischen Besatzungsarmee gefahren. Zwanzig Monate später werden selbst Israeltreue Stimmen kritischer. Sprechen wie Friedrich Merz nun davon wie in den letzten Tagen oder „jetzt wirklich“ humanitäres Völkerrecht gebrochen werde. Als wäre dies nicht schon am 8. oder am 6. Oktober so gewesen.
In meinen Auslandsjahren als Teenie gab mir das Bescheid wissen über Geschehnisse in Deutschland einen gewissen Halt. Ich sah Deutschland durch eine rosarote Brille glaubte z.B. daran, dass nicht alle Mitläufer bei PEGIDA rassistisch sind. Denn in den Medien hieß es, es seien viele einfach nur „besorgte Bürger“. Ich glaubte auch, dass der Rassismus in Deutschland nicht so schlimm wie der in Frankreich sei und das Deutschland aus seiner Vergangenheit gelernt hätte.
Wenn mich nicht das Lachen eines meiner besten Freunde, dem ich dies erzählte, zum Hinterfragen gebracht hätte, hätte mich spätestens die Berichterstattung über den so genannten „Nahost-Konflikt“ sicherlich eines besseren belehrt. Versteht mich nicht falsch, ich bin ein Schwarzer Muslim, der mit dem Internet aufgewachsen ist. Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus besonders nach 9/11 war und ist Teil meines Lebens, offline und online. Vielleicht hatte ich aber einfach noch den liberalen Gedanken, dass sich die Zustände verbessern, intus. Dass die nächste Generation, die Jüngeren, die die mit „uns“ aufgewachsen sind, eine bessere, gerechtere Gesellschaft hervorheben würden und Medien ein wichtiger Teil davon seien.
Erst durch meine politische Bildung erkannte ich, dass eine rassistische Gesellschaft sich und seine Bilder selbst reproduziert so lange rassistische und kapitalistische Strukturen erhalten bleiben. Wie kann es denn sonst sein, das ein Medienschaffender auf der Re:publica 25 keine Ahnung hat, warum Menschen vertrauen in die Medien verlieren. Vielleicht sollte er etwas Gramsci zur kulturellen Hegemonie lesen. Die Mächtigen bestimmen, was die herrschende Meinung ist. Studien werden von Unternehmen erkauft, Interessenvertretungen fertigen Gesetze vor und schreiben Zeitungsartikel, die Bildung und Medienlandschaft ist eurozentrisch.
Die weiße Vorherrschaft erlaubt es Sympathie mit einer als weiß-gelesenen Gruppe zu hegen und die als Anders gelesene Gruppen zu marginalisieren. Dies zeigt sich z.B. auch bei Initiativen, wie dem Volksverpetzer, die sich gegen Hetze und Fake News durch Faktenchecks stellt, die entweder nur die eine Seite checkt und nicht die Andere oder „Bothsidesing“ betreibt. Der Zionismus und Israel steht im Mythos des Westens, für Demokratie, Progressivität und Modernität, der Islam und die Araber:innen dagegen für orientalische Despoten, Ignoranz und Gewalt. Daher ist es egal, das die Regierung Israels ultra-rechts ist. Die weiße Vorherrschaft erlaubt es die Einseitigkeit der deutschen Berichterstattung als Neutralität zu lesen.
Nein, Deutschland hat nicht aus seiner Vergangenheit gelernt. Es spielt nur so gut Theater, dass nicht nur Menschen aus dem Ausland es glauben, sondern auch Deutschland selbst. Die wirkliche Aufarbeitung kolonialer Kontinuitäten, rechter Gewalt, der Amnestie für NS-Verbrächer und der Renazifizierung nach 1945 bis heute fehlt noch immer. Im Gedächtnistheater, zur Wiedergutwerdung der Deutschen ist die Sicherheit Israels „deutsche Staatsräson“ und dafür sind sie bereit ohne große Kritik Israel tun und walten zu lassen so lange der Vorwand der Sicherheit hervorgehoben werden kann.
Wie dies auch schon in Südafrika geschah, kann diese Sicherheit auch nur im Ansatz gewährleistet werden, wenn dem dessen Land und Ressourcen gestohlen wurde auch täglich marginalisiert, dehumanisiert, misshandelt, ausspioniert, inhaftiert und getötet wird. So war das Jahr 2023 auch schon vor dem 7. Oktober das tödlichste Jahr für Palästinenser:innen. Die historische Schuld Deutschlands wurde schlicht durch die Entrechtung der Palästinenser:innen rein gewaschen.
So lange Menschen zu Unrecht behandelt werden, werden sie sich gegen dieses Unrecht auflehnen. Ohne Gerechtigkeit wird es keinen Frieden geben. Das hat uns die Geschichte gelehrt, nur wollen unserer Politiker:innen inklusive der Linken und unsere Medienlandschaft dies nicht wahrhaben.
Die Idee des Zionismus, das Juden:Jüdinnen weltweit nur dann sicher sein können, wenn es einen ethnonationalistischen, „jüdischen“ Kolonialstaat gibt, ist ein Hirngespinst wie der 7. Oktober, das Attentat auf den israelischen Diplomaten kürzlich oder aber auch interne historische Widersprüche wie der zwischen Ashkenazi und Mizrahi Juden:Jüdinnen gezeigt haben. Dies hat schon nicht mit der von Afro-Amerikaner:innen kolonisierten Republik Liberia funktioniert. Darüber hinaus ist es ein sich drücken vor der historischen Verantwortung gegen Rassismus und Antisemitismus im eigenen Land vorzugehen, den Israel ist ja die Heimstätte aller Juden:Jüdinnen. Es ist eine Bankrotterklärung gegenüber der pluralistischen Demokratie und der Menschenrechte. Erklärt aber auch wieso rechte Kräfte sowohl hierzulande als auch anderswo hinter Israel stehen und wieso es z.B. das Haavara Abkommen gab.
Menschen haben ein Recht auf Selbstbestimmung, dies bedeutet aber nicht dass Staaten ein inherentes Recht haben zu existieren und das Bestreiten das besonders Unrechtsstaaten das Recht haben zu existieren, sei es Rhodesien, Apartheid Südafrika oder Israel ist weder Hass auf weiße, noch Antisemitismus oder ein Aufruf zum Genozid an Juden:Jüdinnen. Das pochen auf das Existenzrecht Israels ist in Wahrheit nur die Negierung Palästinas. Es ist ein Pochen auf den Status-Quo, die ethnische Säuberung Palästinas seit 1948.
Der Umsturz in den letzten Tagen geriet verdächtig schnell. Ein so klarer Bericht wie der in der Tagesschau, sogar mit Interviews aus Gaza, ist fast einzigartig und bringt die Frage auf. Wieso erst jetzt? Es geht die Befürchtung um, es sei alles viel schlimmer als wir glauben vermögen und „die Ratten verlassen das Schiff“. Dennoch fehlt das Wort Genozid, es wird noch immer verleugnet.
Das vereinzelt Politiker:innen, Medienmachende und Kreative nun 20 Monate später kritischere Stellungen einnehmen, die sie noch vor ein paar Monaten als antisemitisch verteufelten zeugt davon, dass es nicht um Geiseln, Antisemitismus oder Menschenrechte geht, denn es hat sich in den vergangenen Tagen und Wochen nicht viel verändert. Die genozidale Sprache und Aktion der israelischen Regierung machte doch schon von Anfang an klar, dass es hier um die endgültige Lösung der Palästina Frage ging. Nicht umsonst wurde auch das Westjordanland angegriffen, geräumt und Siedlungsbau weiter genehmigt.
Wie Finkelstein sagt, sind wir nun in der finalen Phase und um nicht völlig ihr Gesicht zu verlieren werden wir nun Zeuge einer Image Kampagne. Denn wie der Journalist Omar El Akkad schrieb: „Eines Tages werden alle dagegen gewesen sein“.
Dennoch sind auch diese Statements nichts mehr als ein geschüttelter Finger vor laufender Kamera, während weiterhin fleißig Kriegswaffen geliefert werden. Das Merz nun der Held sei der den deutschen Schuldgefühlen ade sagt und Nachkriegsdeutschland nun endlich befreit ist Sinn befreit.

Als Menschen sind wir, jeder von uns, unabhängig von dem was Medien berichten in der Verantwortung einen Völkermord zu verhindern. Ich werde alles in meiner Macht tun, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Die Medien induzierte Passivität muss gebrochen werden. Die Geschichte ist mein Leitfaden und der Kampf gegen Apartheid Südafrika eine Inspiration wenigstens mit dem wirtschaftlichen, kulturellen und akademischen Boykott Israels anzufangen. Und dazu aufzurufen Israel zu sanktionieren, einen Waffenembargo einzuführen und von israelischen Unternehmen insbesondere Waffenhersteller zu desinvestieren um so Druck auf die israelische Regierung aufzubauen.
Egal ob dieser Völkermord, wie der an den Herero und Nama, jemals als solches offiziell gelten wird gehört er verurteilt. Palästinenser:innen verdienen es, nein, sie haben das Recht in Freiheit und Frieden zu leben und gedeihen. Träumen zu dürfen und sich entfalten zu können.
Bis bald in einem freien Palästina.
Wa Salam,
Abdur-Rahman
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